06.02.2014 20:02
Quo vadis, Pferdesport in Berlin?
Aufbruchsstimmung beim Thema Pferdesport in Berlin?
Die Berliner Morgenpost, die dem Reitsport bisher nur wenige Zeilen widmete, hatte am 30.1. sogar Platz für das Thema auf der Titelseite: Hopp, hopp, Berlin - SPD und CDU wollen Berlin zur Pferdemetropole machen.
Grund für diese Schlagzeile war die Sitzung im Abgeordnetenhaus am 31.1. zum Thema "Förderung des Pferdesports in Berlin". Die Regierungsfraktionen SPD und CDU wollen den Pferdesport zu fördern. "Der Senat wird aufgefordert zu prüfen, wie der Pferdesport in Berlin unterstützt werden kann", heißt es in einem Antrag der Koalition für den Sportausschuss.
LPBB-Präsident Peter Krause und der Vorsitzende des Fördervereins des Pferdesportparks Berlin-Karlshorst, Dr. Andreas Prüfer, waren zur Anhörung von den Fraktionen eingeladen worden.
Kehren nun die "guten alten Zeiten" zurück? Wird es wieder ein namhaftes Berliner Reitturnier geben, wie es einst Tradition hatte? 1923 wurde das Turnier im einstigen Sportpalast aus der Taufe gehoben, 1936 zog die Veranstaltung in die Deutschlandhalle um, wo sich Reitern und Besuchern völlig neue Dimensionen boten. So fanden zum Beispiel an drei Abenden Polowettbewerbe statt. Nach dem 2. Weltkrieg folgten glanzvolle Jahrzehnte, in denen sich berühmte Reiter wie Fritz Thiedemann, Hans Günther Winkler oder Nelson Pessoa in die Siegerlisten eintrugen. Erfolgreichster Springreiter aber war Hugo Simon, der insgesamt viermal im Großen Preis triumphierte. Mit 52.000 Besuchern stellte das CHI (frz: Concours Hippique International) 1994 einen neuen Rekord auf, drei Jahre später dann erfolgte der Umzug ins Velodrom an der Landsberger Allee, wo Reiter jedoch über die schlechten Bedingungen klagten. 2003 schließlich fand das Reit-und Springturnier in den Messehallen am Funkturm sein vorläufiges Ende. Den Weltcupstatus hatte man zu dieser Zeit längst an Leipzig abgeben müssen. 2009 gab es den einmaligen Versuch eines "Hauptstadtturniers", sportlich durchaus erfolgreich, finanziell ein Desaster. 2009, 2010 und 2012 fanden nationale viertägige Dressur- und Springturniere bis Klasse S*** im Berliner Reiterstadion statt. Ein Hallenturnier in den Berliner Messehallen wird seit einigen Jahren von der Messe Berlin und dem Landesverband Pferdesport e.V. versucht zu etablieren, allerdings auch auf nationaler Basis. Die einzig verbliebene Veranstaltung im internationalen Turnierkalender findet jährlich im Januar in Neustadt/Dosse statt, das CSI unter der Leitung vom Hamburger Kaufmann Herbert Ulonska. Soviel zur aktuellen sportlichen Situation der Turnierlandschaft.
"Es gibt Bestrebungen, auch in Berlin wieder ein Turnier zu etablieren", sagt Peter Krause, Präsident des Landesverband mit ca. 5000 Berliner Mitgliedern, die in 59 Vereinen organisiert sind. Die politische Unterstützung des Senats würde dabei helfen. Diese bräuchte der Pferdesport besonders im Hinblick auf geeignete Wettkampfstätten. Die Deutschlandhalle ist Geschichte, der mehrjährige Versuch im Velodrom ein internationales Turnier zu etablieren scheiterte, u.a. an den schlechten Bedingungen für die Pferde. Die Max-Schmeling-Halle und die O2-World dürften ähnliche Probleme haben. Ob der neue City Cube ein Standort werden könnte, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Und die Messe Berlin müsste mindestens ein Areal wie die Leipziger Messe (zwei Hallen mit je 21.000qm) zur Verfügung stellen können. Dies ist die aktuelle, nicht gerade allzu ideale Ausgangssituation für ein Hallenreitturnier. Kann die Politik hier helfen?
Und ohne Dach über dem Kopf? Gibt es bessere Möglichkeiten? 2013 fand auf dem Gelände der Trabrennbahn Karlshorst die Islandpferde-WM statt. Seit 2010 finden auf dem Maifeld jährlich die Polomeisterschaften im High Goal, der höchsten Spielklasse statt und für 2016 wäre die Durchführung einer EM möglich. Auch der Moderne Fünfkampf, eine Disziplin dabei ist das Springreiten, würde im Jahr 2015 seine Weltmeisterschaften in Berlin austragen wollen.
"Berlin bietet mit den vorhandenen Sportanlagen für die Ausübung des Pferdesports grundsätzlich gute Bedingungen", heißt es im Antrag. Schöne Worte, nur leider nicht ganz reel, zumindest was die Möglichkeiten des (großen) Turniersports angeht. Seit Jahren soll das Reiterstadion im Olympiapark restauriert werden, geschehen ist bislang nichts. Die Tribüne ist teilweise gesperrt, es droht Einsturzgefahr. Auch die beiden Reithallen sind in die Jahre gekommen, die Außenflächen gelten teilweise als sportlich nicht mehr zeitgemäß. Der Denkmalschutz will die alte Substanz möglichst erhalten, was die Nutzung im modernen Turniergeschehen problematisch macht. Hier müssen in Gesprächen Lösungen gefunden werden. Bereits 1994 und 2004 wurde ein Konzept für das Reiterstadion erstellt, bis Ende 2014 soll ein aktuelles Nutzungskonzept hinzukommen. Der LPBB hatte Ende 2013 eine Unterschriften-Aktion zum Erhalt des Reiterstadions ins Leben gerufen.
Staatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) aus der Senatsverwaltung Inneres und Sport machte folgende Aussage zum Thema Investitionsbedarf und Mittel: " Die Frage des Aus- und Umbaus des Reiterstadions wird in der zweiten Hälfte der investiven Maßnahmen, die für den Olympiapark vorgesehen sind, erfolgen."
Erst nach der Erstellung des Nutzungskonzept und nach Gesprächen mit dem LPBB und der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz können die Kosten benannt werden, so der Politiker, der dem Pferdesport durchaus wohlwollend gegenüber steht.
Allerdings sind nur 17 % der Berliner Reiter im Spitzensport aktiv, 83 % sind Breitensportler. 58% aller Reiter sind junge Menschen bis 26 Jahre, meist Mädchen. Und in dieser Zielgruppe gibt es andere Probleme, z.B. die Vereinbarkeit Schule - Reitverein. Durch die langen Schultage, meist bis in den späten Nachmittag, bleibt wenig Zeit fürs Reiten. Seit über 20 Jahren setzt sich die Deutsche Reiterliche Vereinigung dafür ein, dass Reiten in den Schulalltag integriert wird. Im Jahr 2013 sind dem FN-Arbeitskreis Schulsport etwa 1.800 Schulen und Kindergärten bekannt, die bundesweit eine Kooperation mit Pferdesportvereinen oder Pferdebetrieben eingegangen sind und versuchen, den Reitsport in das Angebot der Schule zu integrieren. Für viele Schüler gehören heute Reitprojekte und Reitunterricht zwar schon zum Schulalltag, "aber leider ist es uns noch immer nicht hundertprozentig gelungen, der breiten Öffentlichkeit klar zu machen, wie wertvoll aus pädagogischer Sicht der Umgang mit einem Pferd für Kinder ist," sagt Maria Schierhölter-Otte, Leiterin der FN-Abteilung Jugend. "Deshalb ist es unser Ziel, das Pferd und den Pferdesport noch stärker in der Schule zu verankern." Wichtig ist es also, dass die Reitvereine und -betriebe noch aktiver werden, um Pädagogen und Politikern, die einzigartigen Möglichkeiten des Reitsports zu vermitteln. Reiten ist die einzige Sportart, die mit einem Lebewesen in partnerschaftlicher Weise gelernt und ausgeübt wird. Dadurch kann das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen gestärkt und die Konzentrationsfähigkeit sowie das Verantwortungsbewusstsein geschult werden. Das Erlernen des Reitens kann die Lernbereitschaft fördern und sich so positiv auf die schulischen Leistungen auswirken.
Das Projekt "Reiten in der Schule" in Neustadt/Dosse ist einzigartig in Deutschland und wird in Zusammenarbeit mit der Prinz von Homburg Schule, dem Landesverband Pferdesport Berlin-Brandenburg und dem Internat Schloss Spiegelberg durchgeführt. Seit 2001 gibt es die Zusammenarbeit der Prinz-von-Homburg-Schule und dem Landgestüt Neustadt/Dosse. Hier wurde die Integration des Pferdesports in den Schulunterricht vollzogen. Reiten ist für viele Schülerinnen und Schüler in Neustadt fester Bestandteil des Stundenplans. Seit 2009 fungiert die Neustädter Schule nunmehr als "Schule besonderer Prägung" und kann neben dem Wahlpflichtfach eine spezielle Begabungsförderung im Reitsport anbieten. Hier steht die Förderung des Reitens als Leistungssport im Vordergrund. Martina Schünemann, Vize-Präsidentin und Vorsitzende des Fachbeirates Schulsport, ist im Landesverband Berlin-Brandenburg kompetente Ansprechpartnerin für dieses Thema.
Ein weiteres wichtiges Themengebiet ist Pferdesport als Gesundheitssport. Der Reitsport ist in der heutigen Gesellschaft als gesundheitsfördernde Maßnahme fest etabliert. Die unter Leitung von speziell ausgebildeten Übungsleitern angebotenen Kursprogramme stellen nicht das Erlernen der Sportart Reiten in den Vordergrund, sondern das Bewegen und dessen positive Auswirkungen auf den Menschen an sich. Auch eine Chance der Betriebe und Vereine, die nicht nur von der Pensionspferdehaltung leben können. Im Wissen um die stetig wachsende Bedeutung der Prävention in der Gesundheitspolitik und der sich daraus ergebenden gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen sieht der Landesverband Pferdesport, und auch die CDU-Fraktion, die Notwendigkeit für nachhaltige Schritte zur Stärkung dieses Bereiches. Besonders für Menschen die sinngeschädigt, körper- oder geistig behindert sind, ist das Reiten eine Möglichkeit der sportlichen Herausforderung mit gleichzeitigem Trainingseffekt. In Brandenburg bietet u.a. die Rollireitschule Radensleben für Rollstuhlfahrer, Schlaganfall-Patienten sowie Sportlern mit diversen Handicaps qualifizierten, mit entsprechenden kompensatorischen Hilfsmitteln ausgestatteten und entsprechend ausgebildeten Pferden einen einmaligen Unterricht. Diverse dort ausgebildete Reiter nahmen schon erfolgreich an natinalen und internationalen Turnieren teil, Leistungssport ist auch mit Behinderung möglich.
Nach Abschluß der Ausführungen von Peter Krause und Dr. Andreas Prüfer, nutzten Mitglieder aller Fraktionen die Möglichkeit eigene Fragen an die Herren zu stellen. Die Fragen mancher Abgeordneten ließen allerdings Zweifel aufkommen, ob die Personen sich inhaltlich mit dem Thema ernsthaft beschäftigt haben in der Vorbereitung oder ob sie die Fragen nur gestellt haben, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Anja Schillhaneck von den Grünen bewies in ihren Beiträgen Fachkompetenz, da sie als (derzeit nicht mehr aktive) Reiterin eigene Erfahrungen in und um Berlin sammeln konnte. Mit großer Souveränität konnten Krause und Prüfer fast alle Fragen zur Zufriedenheit beantworten. Die Abstimmung über die Beschlussvorlage der CDU und SPD ist für die nächste Sitzung geplant.
Auch im Pferdeland Niedersachsen wird derzeit die Frage nach der Zukunft des Pferdesports unter Einbeziehung der Politik gestellt. Im Interview hat der Vorsitzende des niedersächsischen Pferdesportverbandes, FN-Vizepräsident und Veranstalter des Turniers Löwen Classics in Braunschweig, Axel Milkau, diese Frage beantwortet: Wieviel muss der Pferdesport aus sich heraus bewegen und wie viel Politik ist notwendig? „Der Pferdesport und die Politik müssen begreifen, dass es nur zusammen geht. Es gibt keine getrennten Lager sondern es gibt nur ein „WIR“. Ich bin in die Sportpolitik gegangen, weil ich ein Zeichen setzen wollte, dass es heute eine Pflicht ist, sich für seinen Sport zu engagieren. Wir leben in einer Nehmergesellschaft und jeder wartet darauf, dass der andere etwas tut. Wenn ich immer meinen Mund groß aufreiße, dann muss ich auch voran gehen und meinen Pflichtteil dazu beitragen. Lippenbekenntnisse an den Theken ist die Politik der Ahnungslosen und der Abzocker. Für mich gilt in der Sportpolitik genau die gleiche Leitlinie wie als Unternehmer oder Pferdesportvermarkter, ich muss bewegen dürfen und wenn ich etwas gegen die Wand gefahren habe, dann muss ich es auch sagen dürfen, ohne das gleich der Boulevard-Journalismus Fahrt aufnimmt. Im Umkehrschluss heißt dieses für mich, dass wir uns innerhalb der Gesellschaft noch nicht in der Balance befinden, um überhaupt etwas schnell durchsetzen zu können. Jeder will sich absichern und geht sofort in Deckung, dieses ist eine Unart der Deutschen und für mich der zukünftige „Wir-Auftrag“ der Gesellschaft. Für unseren Pferdesport heißt dieses konkret: Vor jedem Engagement und Ehrenamtlichkeit steht auch Wirtschaftlichkeit, um Nachhaltigkeit zu erwirken. Wenn nicht jeder gleich im geleisteten Engagement das große Geschäft wittert und nicht im Blickwinkel von außen darin gleich persönliche Gewinne unterstellt, sondern Erfolg respektiert und Wirtschaftlichkeit eher als Segen denn als Abzocke anerkennt, dann wird sich in der Summe noch viel bewegen lassen. Der Pferdesport hat eine Grundformel zu beherzigen die da heißt: Unser Kulturgut Pferd zu schützen, darunter kann ich im Miteinander wunderbar auf allen Ebenen arbeiten und sowohl der Pferdesport als auch die Politik sind auf Augenhöhe.“
Text+Fotos: Marietta Grade
Die Berliner Morgenpost, die dem Reitsport bisher nur wenige Zeilen widmete, hatte am 30.1. sogar Platz für das Thema auf der Titelseite: Hopp, hopp, Berlin - SPD und CDU wollen Berlin zur Pferdemetropole machen.
Grund für diese Schlagzeile war die Sitzung im Abgeordnetenhaus am 31.1. zum Thema "Förderung des Pferdesports in Berlin". Die Regierungsfraktionen SPD und CDU wollen den Pferdesport zu fördern. "Der Senat wird aufgefordert zu prüfen, wie der Pferdesport in Berlin unterstützt werden kann", heißt es in einem Antrag der Koalition für den Sportausschuss.
LPBB-Präsident Peter Krause und der Vorsitzende des Fördervereins des Pferdesportparks Berlin-Karlshorst, Dr. Andreas Prüfer, waren zur Anhörung von den Fraktionen eingeladen worden.
Kehren nun die "guten alten Zeiten" zurück? Wird es wieder ein namhaftes Berliner Reitturnier geben, wie es einst Tradition hatte? 1923 wurde das Turnier im einstigen Sportpalast aus der Taufe gehoben, 1936 zog die Veranstaltung in die Deutschlandhalle um, wo sich Reitern und Besuchern völlig neue Dimensionen boten. So fanden zum Beispiel an drei Abenden Polowettbewerbe statt. Nach dem 2. Weltkrieg folgten glanzvolle Jahrzehnte, in denen sich berühmte Reiter wie Fritz Thiedemann, Hans Günther Winkler oder Nelson Pessoa in die Siegerlisten eintrugen. Erfolgreichster Springreiter aber war Hugo Simon, der insgesamt viermal im Großen Preis triumphierte. Mit 52.000 Besuchern stellte das CHI (frz: Concours Hippique International) 1994 einen neuen Rekord auf, drei Jahre später dann erfolgte der Umzug ins Velodrom an der Landsberger Allee, wo Reiter jedoch über die schlechten Bedingungen klagten. 2003 schließlich fand das Reit-und Springturnier in den Messehallen am Funkturm sein vorläufiges Ende. Den Weltcupstatus hatte man zu dieser Zeit längst an Leipzig abgeben müssen. 2009 gab es den einmaligen Versuch eines "Hauptstadtturniers", sportlich durchaus erfolgreich, finanziell ein Desaster. 2009, 2010 und 2012 fanden nationale viertägige Dressur- und Springturniere bis Klasse S*** im Berliner Reiterstadion statt. Ein Hallenturnier in den Berliner Messehallen wird seit einigen Jahren von der Messe Berlin und dem Landesverband Pferdesport e.V. versucht zu etablieren, allerdings auch auf nationaler Basis. Die einzig verbliebene Veranstaltung im internationalen Turnierkalender findet jährlich im Januar in Neustadt/Dosse statt, das CSI unter der Leitung vom Hamburger Kaufmann Herbert Ulonska. Soviel zur aktuellen sportlichen Situation der Turnierlandschaft.
"Es gibt Bestrebungen, auch in Berlin wieder ein Turnier zu etablieren", sagt Peter Krause, Präsident des Landesverband mit ca. 5000 Berliner Mitgliedern, die in 59 Vereinen organisiert sind. Die politische Unterstützung des Senats würde dabei helfen. Diese bräuchte der Pferdesport besonders im Hinblick auf geeignete Wettkampfstätten. Die Deutschlandhalle ist Geschichte, der mehrjährige Versuch im Velodrom ein internationales Turnier zu etablieren scheiterte, u.a. an den schlechten Bedingungen für die Pferde. Die Max-Schmeling-Halle und die O2-World dürften ähnliche Probleme haben. Ob der neue City Cube ein Standort werden könnte, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Und die Messe Berlin müsste mindestens ein Areal wie die Leipziger Messe (zwei Hallen mit je 21.000qm) zur Verfügung stellen können. Dies ist die aktuelle, nicht gerade allzu ideale Ausgangssituation für ein Hallenreitturnier. Kann die Politik hier helfen?
Und ohne Dach über dem Kopf? Gibt es bessere Möglichkeiten? 2013 fand auf dem Gelände der Trabrennbahn Karlshorst die Islandpferde-WM statt. Seit 2010 finden auf dem Maifeld jährlich die Polomeisterschaften im High Goal, der höchsten Spielklasse statt und für 2016 wäre die Durchführung einer EM möglich. Auch der Moderne Fünfkampf, eine Disziplin dabei ist das Springreiten, würde im Jahr 2015 seine Weltmeisterschaften in Berlin austragen wollen.
"Berlin bietet mit den vorhandenen Sportanlagen für die Ausübung des Pferdesports grundsätzlich gute Bedingungen", heißt es im Antrag. Schöne Worte, nur leider nicht ganz reel, zumindest was die Möglichkeiten des (großen) Turniersports angeht. Seit Jahren soll das Reiterstadion im Olympiapark restauriert werden, geschehen ist bislang nichts. Die Tribüne ist teilweise gesperrt, es droht Einsturzgefahr. Auch die beiden Reithallen sind in die Jahre gekommen, die Außenflächen gelten teilweise als sportlich nicht mehr zeitgemäß. Der Denkmalschutz will die alte Substanz möglichst erhalten, was die Nutzung im modernen Turniergeschehen problematisch macht. Hier müssen in Gesprächen Lösungen gefunden werden. Bereits 1994 und 2004 wurde ein Konzept für das Reiterstadion erstellt, bis Ende 2014 soll ein aktuelles Nutzungskonzept hinzukommen. Der LPBB hatte Ende 2013 eine Unterschriften-Aktion zum Erhalt des Reiterstadions ins Leben gerufen.
Staatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) aus der Senatsverwaltung Inneres und Sport machte folgende Aussage zum Thema Investitionsbedarf und Mittel: " Die Frage des Aus- und Umbaus des Reiterstadions wird in der zweiten Hälfte der investiven Maßnahmen, die für den Olympiapark vorgesehen sind, erfolgen."
Erst nach der Erstellung des Nutzungskonzept und nach Gesprächen mit dem LPBB und der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz können die Kosten benannt werden, so der Politiker, der dem Pferdesport durchaus wohlwollend gegenüber steht.
Allerdings sind nur 17 % der Berliner Reiter im Spitzensport aktiv, 83 % sind Breitensportler. 58% aller Reiter sind junge Menschen bis 26 Jahre, meist Mädchen. Und in dieser Zielgruppe gibt es andere Probleme, z.B. die Vereinbarkeit Schule - Reitverein. Durch die langen Schultage, meist bis in den späten Nachmittag, bleibt wenig Zeit fürs Reiten. Seit über 20 Jahren setzt sich die Deutsche Reiterliche Vereinigung dafür ein, dass Reiten in den Schulalltag integriert wird. Im Jahr 2013 sind dem FN-Arbeitskreis Schulsport etwa 1.800 Schulen und Kindergärten bekannt, die bundesweit eine Kooperation mit Pferdesportvereinen oder Pferdebetrieben eingegangen sind und versuchen, den Reitsport in das Angebot der Schule zu integrieren. Für viele Schüler gehören heute Reitprojekte und Reitunterricht zwar schon zum Schulalltag, "aber leider ist es uns noch immer nicht hundertprozentig gelungen, der breiten Öffentlichkeit klar zu machen, wie wertvoll aus pädagogischer Sicht der Umgang mit einem Pferd für Kinder ist," sagt Maria Schierhölter-Otte, Leiterin der FN-Abteilung Jugend. "Deshalb ist es unser Ziel, das Pferd und den Pferdesport noch stärker in der Schule zu verankern." Wichtig ist es also, dass die Reitvereine und -betriebe noch aktiver werden, um Pädagogen und Politikern, die einzigartigen Möglichkeiten des Reitsports zu vermitteln. Reiten ist die einzige Sportart, die mit einem Lebewesen in partnerschaftlicher Weise gelernt und ausgeübt wird. Dadurch kann das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen gestärkt und die Konzentrationsfähigkeit sowie das Verantwortungsbewusstsein geschult werden. Das Erlernen des Reitens kann die Lernbereitschaft fördern und sich so positiv auf die schulischen Leistungen auswirken.
Das Projekt "Reiten in der Schule" in Neustadt/Dosse ist einzigartig in Deutschland und wird in Zusammenarbeit mit der Prinz von Homburg Schule, dem Landesverband Pferdesport Berlin-Brandenburg und dem Internat Schloss Spiegelberg durchgeführt. Seit 2001 gibt es die Zusammenarbeit der Prinz-von-Homburg-Schule und dem Landgestüt Neustadt/Dosse. Hier wurde die Integration des Pferdesports in den Schulunterricht vollzogen. Reiten ist für viele Schülerinnen und Schüler in Neustadt fester Bestandteil des Stundenplans. Seit 2009 fungiert die Neustädter Schule nunmehr als "Schule besonderer Prägung" und kann neben dem Wahlpflichtfach eine spezielle Begabungsförderung im Reitsport anbieten. Hier steht die Förderung des Reitens als Leistungssport im Vordergrund. Martina Schünemann, Vize-Präsidentin und Vorsitzende des Fachbeirates Schulsport, ist im Landesverband Berlin-Brandenburg kompetente Ansprechpartnerin für dieses Thema.
Ein weiteres wichtiges Themengebiet ist Pferdesport als Gesundheitssport. Der Reitsport ist in der heutigen Gesellschaft als gesundheitsfördernde Maßnahme fest etabliert. Die unter Leitung von speziell ausgebildeten Übungsleitern angebotenen Kursprogramme stellen nicht das Erlernen der Sportart Reiten in den Vordergrund, sondern das Bewegen und dessen positive Auswirkungen auf den Menschen an sich. Auch eine Chance der Betriebe und Vereine, die nicht nur von der Pensionspferdehaltung leben können. Im Wissen um die stetig wachsende Bedeutung der Prävention in der Gesundheitspolitik und der sich daraus ergebenden gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen sieht der Landesverband Pferdesport, und auch die CDU-Fraktion, die Notwendigkeit für nachhaltige Schritte zur Stärkung dieses Bereiches. Besonders für Menschen die sinngeschädigt, körper- oder geistig behindert sind, ist das Reiten eine Möglichkeit der sportlichen Herausforderung mit gleichzeitigem Trainingseffekt. In Brandenburg bietet u.a. die Rollireitschule Radensleben für Rollstuhlfahrer, Schlaganfall-Patienten sowie Sportlern mit diversen Handicaps qualifizierten, mit entsprechenden kompensatorischen Hilfsmitteln ausgestatteten und entsprechend ausgebildeten Pferden einen einmaligen Unterricht. Diverse dort ausgebildete Reiter nahmen schon erfolgreich an natinalen und internationalen Turnieren teil, Leistungssport ist auch mit Behinderung möglich.
Nach Abschluß der Ausführungen von Peter Krause und Dr. Andreas Prüfer, nutzten Mitglieder aller Fraktionen die Möglichkeit eigene Fragen an die Herren zu stellen. Die Fragen mancher Abgeordneten ließen allerdings Zweifel aufkommen, ob die Personen sich inhaltlich mit dem Thema ernsthaft beschäftigt haben in der Vorbereitung oder ob sie die Fragen nur gestellt haben, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Anja Schillhaneck von den Grünen bewies in ihren Beiträgen Fachkompetenz, da sie als (derzeit nicht mehr aktive) Reiterin eigene Erfahrungen in und um Berlin sammeln konnte. Mit großer Souveränität konnten Krause und Prüfer fast alle Fragen zur Zufriedenheit beantworten. Die Abstimmung über die Beschlussvorlage der CDU und SPD ist für die nächste Sitzung geplant.
Auch im Pferdeland Niedersachsen wird derzeit die Frage nach der Zukunft des Pferdesports unter Einbeziehung der Politik gestellt. Im Interview hat der Vorsitzende des niedersächsischen Pferdesportverbandes, FN-Vizepräsident und Veranstalter des Turniers Löwen Classics in Braunschweig, Axel Milkau, diese Frage beantwortet: Wieviel muss der Pferdesport aus sich heraus bewegen und wie viel Politik ist notwendig? „Der Pferdesport und die Politik müssen begreifen, dass es nur zusammen geht. Es gibt keine getrennten Lager sondern es gibt nur ein „WIR“. Ich bin in die Sportpolitik gegangen, weil ich ein Zeichen setzen wollte, dass es heute eine Pflicht ist, sich für seinen Sport zu engagieren. Wir leben in einer Nehmergesellschaft und jeder wartet darauf, dass der andere etwas tut. Wenn ich immer meinen Mund groß aufreiße, dann muss ich auch voran gehen und meinen Pflichtteil dazu beitragen. Lippenbekenntnisse an den Theken ist die Politik der Ahnungslosen und der Abzocker. Für mich gilt in der Sportpolitik genau die gleiche Leitlinie wie als Unternehmer oder Pferdesportvermarkter, ich muss bewegen dürfen und wenn ich etwas gegen die Wand gefahren habe, dann muss ich es auch sagen dürfen, ohne das gleich der Boulevard-Journalismus Fahrt aufnimmt. Im Umkehrschluss heißt dieses für mich, dass wir uns innerhalb der Gesellschaft noch nicht in der Balance befinden, um überhaupt etwas schnell durchsetzen zu können. Jeder will sich absichern und geht sofort in Deckung, dieses ist eine Unart der Deutschen und für mich der zukünftige „Wir-Auftrag“ der Gesellschaft. Für unseren Pferdesport heißt dieses konkret: Vor jedem Engagement und Ehrenamtlichkeit steht auch Wirtschaftlichkeit, um Nachhaltigkeit zu erwirken. Wenn nicht jeder gleich im geleisteten Engagement das große Geschäft wittert und nicht im Blickwinkel von außen darin gleich persönliche Gewinne unterstellt, sondern Erfolg respektiert und Wirtschaftlichkeit eher als Segen denn als Abzocke anerkennt, dann wird sich in der Summe noch viel bewegen lassen. Der Pferdesport hat eine Grundformel zu beherzigen die da heißt: Unser Kulturgut Pferd zu schützen, darunter kann ich im Miteinander wunderbar auf allen Ebenen arbeiten und sowohl der Pferdesport als auch die Politik sind auf Augenhöhe.“
Text+Fotos: Marietta Grade