24.11.2015 22:04

Mit Flüchtlingskindern Freude mit Pferden teilen

Das Thema „Flüchtlinge“ ist allgegenwärtig. Der Wunsch zu helfen bei vielen groß. Bei gleichzeitiger Ungewissheit, wie sich die Situation weiter entwickeln wird.
In Berlin und Brandenburg - wie auch in anderen Bundesländern - besteht eine paradoxe Situation: Sporthallen werden für die sport-treibenden Athleten gesperrt, um Flüchtende behelfsmäßig unterzubringen. Die Senatsverwaltung bzw. Ministerien stellen zusätzliche Mittel zur Verfügung, damit Sportvereine einen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen leisten.
Was kann das bedeuten – Projekte für Flüchtlinge mit Pferden? Wie können wir uns als Verein engagieren? Wie trete ich mit Flüchtlingsheimen in Kontakt?

Mit gutem Beispiel voran...
Ein Projekt der Hermann-Schulz-Grundschule und dem Tölt e.V. macht Mut

Bericht der Projektleiterin und Lehrerin, Kerstin Schmidt
„So ein Pferd heilt so Vieles. Wie oft hatten meine beiden reitenden Kolleginnen und ich geseufzt, wie schön es doch wäre, wenn wir einfach ein paar Pferde an der Schule hätten. Als Therapeuten, Lehrer, Freunde für viele unserer Schüler, besonders die Flüchtlingskinder, die oft schwer traumatisiert in die Schule kommen.
Im Einzugsbereich der Schule liegen drei Flüchtlingsheime. Große Familien, oft sechs bis acht Personen oder mehr, leben in einem Zimmer. Es gibt häufig keine eigenen Küchen, Bäder oder Toiletten. Der Aufenthaltsstatus ist lange ungeklärt. Die Ämter kommen nicht mit der vielen Arbeit hinterher. Natürlich sind diese Flüchtlinge erstmal in Sicherheit, haben das Leben gerettet. Es bleibt aber weiterhin schwer für diese Menschen, besonders für die Kinder. Sie lernen eine neue Sprache, erleben eine ganz andere Umwelt. Sie haben alles hinter sich gelassen, ihr Zuhause, die große Familie, aber eben auch das Schreckliche. Tod, Mord, Verfolgung - alles haben sie schon gesehen. Sie vergessen es nicht. Sie können nachts nicht schlafen, sie fürchten sich vor der Dunkelheit. Sie haben oft sehr ernste Gesichter, manchmal einen viel zu erwachsenen Blick.“
Ein Ponyprojekt als Kooperation der Hermann-Schulz-Grundschule und den Jugendlichen des Tölt e.V. sollte Verbundenheit schaffen. Kirsten Scheffler, diplomierte Reittherapeutin, bietet für Grundschulkinder die Kontaktaufnahme mit dem Pferd. Jugendliche Mitglieder des Vereins betreuen als Paten die Kinder und unterstützen beim geführten Ausritt. „Klar, machen wir! Sofort!“ kam die schnelle Antwort. Alle wollten mitmachen, ihre Pferde zur Verfügung stellen, für die Kinder kochen. So nahm das Ponyprojekt Fahrt auf.
„Wann fahren wir zu den Pferden?“, „Wie oft muss ich noch schlafen?“ Beinahe täglich fragten uns die Kinder voller Vorfreude, wann es denn endlich so weit sei und dann kam der große Tag! Allein der Bus war eine Sensation. „Ich bin noch nie in einem so schönen Auto gefahren!“ „Können wir Musik hören?“ „Guck mal Frau Schmidt, da ist ganz tolles Wasser!“ „Sonnenblumen!“ „Da sind die Pferde!“ Eifrig putzen, vorsichtig übers Fell fühlen, kuscheln und schmusen. Die Gruppe wurde in zwei Vierergrüppchen geteilt. Während die erste Gruppe das Training mit Kirsten absolvierte, ritt die zweite über die Nieplitz zur Stutenweide, bewunderte die Fohlen und beobachteten Rehe und einen großen Milan. Nach dem Mittagessen wurde getauscht. Zum Abschluss ritten die Patentanten den Kindern noch etwas auf der Ovalbahn vor und wurden bejubelt, wenn sie im Tölt, Trab und Galopp vorbeiflitzten. „Fahren wir morgen wieder da hin?“ fragt Malik, als wir uns verabschieden.

Mit kleinen Gesten Großes bewirken
„Das Projekt des Tölt e. V. ist beispielhaft. Die Konstellation bietet allerbeste Voraussetzungen für das Gelingen eines solchen Kooperationsprojektes. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass schon kleinere Gesten, vor allem für Flüchtlingskinder, viel bewirken können“, erklärt die Geschäftsführerin des Landesverbandes Pferdesport Berlin-Brandenburg (LPBB), Nicole Schwarz.
Einige Vereine haben den Beginn gemacht und ihre Angebote für Flüchtende geöffnet. Der LPBB lud Vertreterinnen und Vertreter aus den Mitgliedsvereinen am 29. September 2015 zu einem Treffen ins Reiterhaus Berlin. „Der LSB Berlin hat uns wirklich deutlich auf die zusätzlichen finanziellen Unterstützungsleistungen aufmerksam gemacht. Wir sehen uns als Pferdesportverband in der Verantwortung, diese Mittel weiter zu leiten. Lisa Bolte steht mit den Vereinen, die Projekttage anbieten wollen, in Kontakt. Wir übernehmen zentral die Antragstellung und Abrechnung, das braucht nicht jeder Verein selbst zu machen“ stellt Nicole Schwarz die Unterstützungsmöglichkeiten der Verbände dar.
Gemeinsam wurden in der Runde Möglichkeiten diskutiert, auf welche Weise der Pferdesport einen Beitrag zur Integration von Flüchtlingskindern leisten und Berührungsängste abbauen helfen kann. Die Teilnehmer waren sich einig: Bereits wenige Stunden können viel Freude bereiten. Mögliche Formate, die in den Pferdesportvereinen umgesetzt werden können, müssen nicht neu erfunden werden, sondern sind altbewährte Modelle von Kooperationen mit Kitas und Schulen, von Projekttagen oder Kindergeburtstagen: Tandem-Projekte (Kinder und Jugendliche laden Flüchtlingskinder ein), Ponyreiten, Einflechten und Putzen oder Einladungen zu bereits bestehenden Veranstaltungen, wie Halloween oder Weihnachtsfeiern.

Wichtig zu wissen für Vereine, die aktiv werden möchten
Eine wichtige Frage, die sich vielen gleich zu Beginn stellt: Wie verhält es sich mit der Versicherung? Eine Antwort hierauf lieferten die Landessportbünde (LSBs) Anfang 2015 Asylbewerber und Flüchtlinge sind bei sportlichen Aktivitäten in Brandenburgischen und Berliner Sportvereinen über den Rahmenversicherungsvertrag mit der Feuersozietät versichert, so wie Vereinsmitglieder auch. Auf die Frage, wie Projekte mit Flüchtlingskindern finanziert werden können gibt es in Berlin wie auch in Brandenburg eine Antwort. Mit dem Förderprogramm „Integration durch Sport“ haben Vereine die Möglichkeit, Mittel für die Umsetzung integrativer Projekte zu beantragen. Wer die Papierarbeit nicht alleine bewältigen kann oder will, wendet sich an die Geschäftsstelle des Landesverbandes Pferdesport und erhält dort Unterstützung. Auch bei der Ansprache möglicher Kooperationspartner steht die Geschäftsstelle den Mitgliedern helfend zur Seite. Auf Anfrage nehmen wir über eine Zentrale Kontakt mit Flüchtlingsheimen auf, die als potenzielle Kooperationspartner in Frage kommen. Alles mit dem Ziel Kindern und Jugendlichen die Tür zu den Pferden und somit zu etwas Unbeschwertheit zu öffnen. Bleiben die Themen „Sprache“ und „Verständigung“. So finden sich in einer Gruppe von zwölf Flüchtlingskindern häufig fünf verschiedene Nationen. Eine echte Herausforderung und eine tolle Chance gleichzeitig. Eine Chance für die Kinder, sich in eine neue Gesellschaft einzufinden und eine Chance für Vereine, einen wichtigen Beitrag zur Integration dieser Kinder in ihrem unmittelbaren Umfeld zu leisten. Sport- und Freizeitbeschäftigungen sind für die Kinder und ihre Eltern sehr wertvoll, stellen für einen Moment Zukunftsängste in den Schatten und sorgen für ein Gefühl des Willkommen-Seins. Integration geschieht hier ganz nebenbei. Je niedrigschwelliger das Angebot, desto besser. Sie sind neugierig geworden und möchten sich engagieren oder weiter informieren? Die Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle ist Lisa Bolte (Tel: 030 300 922 11, bolte@lpbb.de).
Text+Foto: Lisa Bolte