13.03.2014 23:17
Gebiss-Experte Karl-Friedrich von Holleuffer wieder in Brandenburg
Im Herbst 2011 bei einer PM-Veranstaltung in Stahnsdorf hatte Gebiss-Experte Karl-Friedrich von Holleuffer seine Seminarpremiere in Brandenburg. Das Thema damals:"Der feine Dialog mit dem Pferd – Das Pferdemaul als Spiegel für Wohlbefinden." Und natürlich ging es auch beim 49.Fahrerstammtisch Ende Februar auf dem Hof Polzfuss in Brieselang, zu dem von Holleuffer als Referent eingeladen war, um ein ähnliches Thema: „Gebisstechnik bei Reit– und Fahrpferden“.
„Gebisse sind gut und notwendig für die Harmonie zwischen Reiter und Pferd“, stellte von Holleuffer seinem Vortrag voran. "Ein Gebiss muss stets so weich sein wie möglich und darf nur so scharf sein wie nötig." Eine umfangreiche Auswahl verschiedenster Gebisse und, zur sicht- und fühlbaren Demonstration der Wirkung, hatte Holleufer sein selbstgebautes "Messgerät" zur Messung der Kräfte, welche durch die Reiter- und Fahrerhand einwirken, mitgebracht.Grundsätzlich ist jedes Pferdmaul individuell gestaltet. Gerne nutzt von Holleuffer den Vergleich mit einem Schloss, man muss den richtigen Schlüssel, hier Gebiss, finden, um es aufzuschließen. Deshalb rät der Fachmann, möglichst viele verschiedene Gebisse auszuprobieren, um das ideale Gebiss herauszufinden. Nicht umsonst weißt er darauf hin, dass es früher Gebissschmiede gab, die für jedes Pferd das Gebiss individuell angefertigt haben. Ein Beruf, der durch die industrielle Fertigung von Gebissen fast ganz verschwunden ist. Für Teilnehmer, die sich ein „Patentrezept“ zur Lösung ihres eigenen reiterlichen Problems erhofft haben, war die Aussage „den Schlüssel zu suchen“ sicher ernüchternd. Ebenso die Feststellung, dass reiterliches Unvermögen nicht durch ein scharfes Gebiss ausgeglichen werden kann, denn Reitkunst endet dort, wo die Gewalt beginnt. Reiter und Fahrer müssen verstehen lernen:
Was geschieht eigentlich im Maul des aufgezäumten Pferdes am hingegebenen oder aufgenommenen Zügel?
Wo wirkt was wie wohin, wenn der Reiter die Zügel aufnimmt?
Wie wirkt welches Gebiss und welcher Hilfszügel bei unterschiedlichem Einsatz des Reiters?
Nicht vergessen: Auf die Zunge wirken alle Gebisse ein. Das Zungenpolster puffert den Zügelzug ab. Stangengebisse mit großer Zungenfreiheit wirken weniger auf die Zunge, mehr auf die Laden. Doppelt gebrochene Gebisse lassen der Zunge weniger Platz als einfach gebrochene Gebisse. Einfluß von Gebissen: auf die Zunge, die Lade, den Gaumen von innen nach oben, den Unterkiefer von hinten, auf den Nasenrücken von vorne, auf das Genick von oben und geringfügig auf die Lefzen. Die Zunge des Pferdes ist ein starker und sein feinfühligster Muskel, der die Aufgabe hat, in der Maulhöhle das Futter nach oben zu führen. Die Maulspalte ist damit schon ausgefüllt. Wenn jetzt der Fremdkörper Gebiss in das Maul gelegt wird, entsteht Druck. Allerdings sind Wirkungen nur auf die Zunge sind die weichesten Einwirkungen für das Pferd. Das Pferd versucht mit der Zunge das Gebiss vom Unterkiefer, den Lefzen und Gaumen fern zu halten. Die Zunge eines Pferdes hat zwei Muskelrichtungen und drei Dimensionen. Ein Pferd, das seine Zunge und den Unterkiefer bewegt und Schluckbewegungen ausführt, entspannt sich. Das hat ganz einfach anatomische Gründe: die Zunge ist über Muskeln mit dem Genick, dem Brustbein und den Schultern verbunden. Eine Störung durch die Reiterhand geht bis hinten durch. Die Kaumuskulatur wird fest, das Genick ebenfalls, der Rücken hört auf zu schwingen, das Hinterbein stottert. Wenn anhaltend zuviel Druck auf den Unterkiefer kommt, können schmerzhafte Knochenauftreibungen, sogenannte Überbeine, entstehen. Eine regelmäßige Kontrolle durch den Tierarzt ist empfehlenswert.
Auch Allergien können im Pferdemaul entstehen. Die Schleimhaut hat direkten Kontakt mit dem Gebissmaterial. Wird die Schleimhaut durch extremen Zügelzug dauernd gedrückt und gereizt, sieht sie rötlich oder geschwollen aus. Wenn alles gerötet ist, vielleicht sogar wund, dann sollte man eine Allergie in Betracht ziehen. Eine Nickelallergie kann man beispielsweise über einen Bluttest feststellen. Ansonsten mal zwei Wochen komplett gebisslos zu reiten, denn eine mechanische Reizung durch eine Allergie braucht Zeit, zu heilen. Dann schnallt man für weitere zwei Wochen ein Edelstahlgebiss ein. Oder eines aus Aurigan, das ist nickelfrei. In Argentan ist dagegen Kupfer und Nickel. Wenn sich die Rötung nicht wiederholt, ist der Verdacht auf Allergie bestätigt.
Wie das Zaumzeug auf den Kopf wirkt sollte auch jeder Pferdesportler wissen. Es passiert viel, wenn der Reiter die Riemen am Pferdekopf falsch verschnallt: versteckte Nerven melden sich, Muskeln verkrampfen. Je stärker der Zug am Zügel, desto höher ist die Kraft, die an Genick und Nackenband landet.
Die Verschnallung der Trense kann nicht nur nach festgelegten Regeln erfolgen, sondern muss ebenso unter Einbeziehung der verschiedenen anatomischen Aspekte des Pferdes, der Funktionalität und der angewendeten Ausbildungsmethode vorgenommen werden. Der Einsatz des Sperrriemens beim kombinierten Reithalfter ist eigentlich nicht notwendig. Bei korrekter Ausbildung des Pferdes, unabhängig von der Reitweise, sollte das Pferd keinen Grund haben, sich durch Aufsperren des Maules gegen das Gebiss zu wehren.
Die Verwendung des Sperrriemens entstand aus den Bedürfnissen des Militärs. Um bei Stürzen zu verhindern, dass sich die Pferde, durch weit geöffnete Mäuler, den Unterkiefer brachen, wurde ihnen der Unterkiefer mittels Sperrriemen zugeschnürt. Dadurch verringerten sich die Kieferbrüche der damaligen Pferde um 80%. Und: beim Sturz des Reiters vom Pferd blieb die Trense in der Regel auf dem Kopf, das Pferd konnte leichter eingefangen werden. Wahrscheinlich seit den späten 70ern, kommt dem Sperrriemen nun eine sehr unglückliche, zweckentfremdete Aufgabe zu, nämlich dem Pferd das Leben schwer zu machen. Was der Sperrriemen aber sehr deutlich einschränkt und zum Teil auch stark behindert, ist das Abschlucken des Speichels. Wenn nämlich sein Maul zugeschnürt wird, kann das Pferd nicht mehr durch das leichte Öffnen des Mauls den Druck des Trensengebisses auf den Gaumen abmildern. An der Stelle, an der das Trensengebiss gegen den Gaumen drückt, sitzen aber Nervenrezeptoren, die den Schluckreflex unterbinden und den Deckel des Kehlkopfes blockieren.
Fehler beim Stirnriemen: viel zu oft ist der zu kurz. Dann zieht der Stirnriemen das Genickstück nach vorne in den Ohrengrund. Wenn hier was quetscht, reagieren viele Pferde empfindlich. Außerdem fehlt dann ein optisches Zeichen für Losgelassenheit: das Ohrenspiel ist blockiert und nicht mehr möglich.
Ein großer Nervenstrang kommt aus der Schädeldecke und endet da, wo das englische Reithalfter liegt. Auch die Seitenteile eines Hackamores wirken auf diese Nervenenden. Ein anderer Nervenstrang führt am Unterkiefer entlang und endet dort, wo Kinnkette der Kandare oder das hannoversche Halfter liegt. Was hier drückt, geht direkt ins Hirn zum Stammnerv.
Ein sehr umfangreiches Thema, das die zahlreichen Gäste des Fahrerstammtisches aufmerksam verfolgten. Und wie kam von Holleuffer, Ur-Ur-Urenkel des Königlichen Stallmeisters zu Hannover Bernhard Hugo von Holleuffer, zum umfangreichen Wissen der Gebisskunde? Aus seiner Sicht gibt es eine einfache Erklärung: Wissensdurst, das Hinterfragen „warum ist das so?“, sich Funktionsweisen erklären lassen und selber ausprobieren. 2006 wurde er mit FN-Plakette in Bronze, 2009 mit der Graf-Landsberg-Medaille in Silber ausgezeichnet. Mit seiner Frau Inge, ebenfalls Fahrausbilderin, ist FN Fahrlehrer-A Karl-Friedrich von Holleuffer als Ausbildungsteam Neumünster, hilft er Pferden und Menschen bei der Aus- und Weiterbildung in Praxis und Theorie. Und auch die FN und die PM's sind froh, diesen Pferdefachmann für Lehrgänge, Seminare und Vorträge gewinnen zu können.
Text+Fotos: Marietta Grade
„Gebisse sind gut und notwendig für die Harmonie zwischen Reiter und Pferd“, stellte von Holleuffer seinem Vortrag voran. "Ein Gebiss muss stets so weich sein wie möglich und darf nur so scharf sein wie nötig." Eine umfangreiche Auswahl verschiedenster Gebisse und, zur sicht- und fühlbaren Demonstration der Wirkung, hatte Holleufer sein selbstgebautes "Messgerät" zur Messung der Kräfte, welche durch die Reiter- und Fahrerhand einwirken, mitgebracht.Grundsätzlich ist jedes Pferdmaul individuell gestaltet. Gerne nutzt von Holleuffer den Vergleich mit einem Schloss, man muss den richtigen Schlüssel, hier Gebiss, finden, um es aufzuschließen. Deshalb rät der Fachmann, möglichst viele verschiedene Gebisse auszuprobieren, um das ideale Gebiss herauszufinden. Nicht umsonst weißt er darauf hin, dass es früher Gebissschmiede gab, die für jedes Pferd das Gebiss individuell angefertigt haben. Ein Beruf, der durch die industrielle Fertigung von Gebissen fast ganz verschwunden ist. Für Teilnehmer, die sich ein „Patentrezept“ zur Lösung ihres eigenen reiterlichen Problems erhofft haben, war die Aussage „den Schlüssel zu suchen“ sicher ernüchternd. Ebenso die Feststellung, dass reiterliches Unvermögen nicht durch ein scharfes Gebiss ausgeglichen werden kann, denn Reitkunst endet dort, wo die Gewalt beginnt. Reiter und Fahrer müssen verstehen lernen:
Was geschieht eigentlich im Maul des aufgezäumten Pferdes am hingegebenen oder aufgenommenen Zügel?
Wo wirkt was wie wohin, wenn der Reiter die Zügel aufnimmt?
Wie wirkt welches Gebiss und welcher Hilfszügel bei unterschiedlichem Einsatz des Reiters?
Nicht vergessen: Auf die Zunge wirken alle Gebisse ein. Das Zungenpolster puffert den Zügelzug ab. Stangengebisse mit großer Zungenfreiheit wirken weniger auf die Zunge, mehr auf die Laden. Doppelt gebrochene Gebisse lassen der Zunge weniger Platz als einfach gebrochene Gebisse. Einfluß von Gebissen: auf die Zunge, die Lade, den Gaumen von innen nach oben, den Unterkiefer von hinten, auf den Nasenrücken von vorne, auf das Genick von oben und geringfügig auf die Lefzen. Die Zunge des Pferdes ist ein starker und sein feinfühligster Muskel, der die Aufgabe hat, in der Maulhöhle das Futter nach oben zu führen. Die Maulspalte ist damit schon ausgefüllt. Wenn jetzt der Fremdkörper Gebiss in das Maul gelegt wird, entsteht Druck. Allerdings sind Wirkungen nur auf die Zunge sind die weichesten Einwirkungen für das Pferd. Das Pferd versucht mit der Zunge das Gebiss vom Unterkiefer, den Lefzen und Gaumen fern zu halten. Die Zunge eines Pferdes hat zwei Muskelrichtungen und drei Dimensionen. Ein Pferd, das seine Zunge und den Unterkiefer bewegt und Schluckbewegungen ausführt, entspannt sich. Das hat ganz einfach anatomische Gründe: die Zunge ist über Muskeln mit dem Genick, dem Brustbein und den Schultern verbunden. Eine Störung durch die Reiterhand geht bis hinten durch. Die Kaumuskulatur wird fest, das Genick ebenfalls, der Rücken hört auf zu schwingen, das Hinterbein stottert. Wenn anhaltend zuviel Druck auf den Unterkiefer kommt, können schmerzhafte Knochenauftreibungen, sogenannte Überbeine, entstehen. Eine regelmäßige Kontrolle durch den Tierarzt ist empfehlenswert.
Auch Allergien können im Pferdemaul entstehen. Die Schleimhaut hat direkten Kontakt mit dem Gebissmaterial. Wird die Schleimhaut durch extremen Zügelzug dauernd gedrückt und gereizt, sieht sie rötlich oder geschwollen aus. Wenn alles gerötet ist, vielleicht sogar wund, dann sollte man eine Allergie in Betracht ziehen. Eine Nickelallergie kann man beispielsweise über einen Bluttest feststellen. Ansonsten mal zwei Wochen komplett gebisslos zu reiten, denn eine mechanische Reizung durch eine Allergie braucht Zeit, zu heilen. Dann schnallt man für weitere zwei Wochen ein Edelstahlgebiss ein. Oder eines aus Aurigan, das ist nickelfrei. In Argentan ist dagegen Kupfer und Nickel. Wenn sich die Rötung nicht wiederholt, ist der Verdacht auf Allergie bestätigt.
Wie das Zaumzeug auf den Kopf wirkt sollte auch jeder Pferdesportler wissen. Es passiert viel, wenn der Reiter die Riemen am Pferdekopf falsch verschnallt: versteckte Nerven melden sich, Muskeln verkrampfen. Je stärker der Zug am Zügel, desto höher ist die Kraft, die an Genick und Nackenband landet.
Die Verschnallung der Trense kann nicht nur nach festgelegten Regeln erfolgen, sondern muss ebenso unter Einbeziehung der verschiedenen anatomischen Aspekte des Pferdes, der Funktionalität und der angewendeten Ausbildungsmethode vorgenommen werden. Der Einsatz des Sperrriemens beim kombinierten Reithalfter ist eigentlich nicht notwendig. Bei korrekter Ausbildung des Pferdes, unabhängig von der Reitweise, sollte das Pferd keinen Grund haben, sich durch Aufsperren des Maules gegen das Gebiss zu wehren.
Die Verwendung des Sperrriemens entstand aus den Bedürfnissen des Militärs. Um bei Stürzen zu verhindern, dass sich die Pferde, durch weit geöffnete Mäuler, den Unterkiefer brachen, wurde ihnen der Unterkiefer mittels Sperrriemen zugeschnürt. Dadurch verringerten sich die Kieferbrüche der damaligen Pferde um 80%. Und: beim Sturz des Reiters vom Pferd blieb die Trense in der Regel auf dem Kopf, das Pferd konnte leichter eingefangen werden. Wahrscheinlich seit den späten 70ern, kommt dem Sperrriemen nun eine sehr unglückliche, zweckentfremdete Aufgabe zu, nämlich dem Pferd das Leben schwer zu machen. Was der Sperrriemen aber sehr deutlich einschränkt und zum Teil auch stark behindert, ist das Abschlucken des Speichels. Wenn nämlich sein Maul zugeschnürt wird, kann das Pferd nicht mehr durch das leichte Öffnen des Mauls den Druck des Trensengebisses auf den Gaumen abmildern. An der Stelle, an der das Trensengebiss gegen den Gaumen drückt, sitzen aber Nervenrezeptoren, die den Schluckreflex unterbinden und den Deckel des Kehlkopfes blockieren.
Fehler beim Stirnriemen: viel zu oft ist der zu kurz. Dann zieht der Stirnriemen das Genickstück nach vorne in den Ohrengrund. Wenn hier was quetscht, reagieren viele Pferde empfindlich. Außerdem fehlt dann ein optisches Zeichen für Losgelassenheit: das Ohrenspiel ist blockiert und nicht mehr möglich.
Ein großer Nervenstrang kommt aus der Schädeldecke und endet da, wo das englische Reithalfter liegt. Auch die Seitenteile eines Hackamores wirken auf diese Nervenenden. Ein anderer Nervenstrang führt am Unterkiefer entlang und endet dort, wo Kinnkette der Kandare oder das hannoversche Halfter liegt. Was hier drückt, geht direkt ins Hirn zum Stammnerv.
Ein sehr umfangreiches Thema, das die zahlreichen Gäste des Fahrerstammtisches aufmerksam verfolgten. Und wie kam von Holleuffer, Ur-Ur-Urenkel des Königlichen Stallmeisters zu Hannover Bernhard Hugo von Holleuffer, zum umfangreichen Wissen der Gebisskunde? Aus seiner Sicht gibt es eine einfache Erklärung: Wissensdurst, das Hinterfragen „warum ist das so?“, sich Funktionsweisen erklären lassen und selber ausprobieren. 2006 wurde er mit FN-Plakette in Bronze, 2009 mit der Graf-Landsberg-Medaille in Silber ausgezeichnet. Mit seiner Frau Inge, ebenfalls Fahrausbilderin, ist FN Fahrlehrer-A Karl-Friedrich von Holleuffer als Ausbildungsteam Neumünster, hilft er Pferden und Menschen bei der Aus- und Weiterbildung in Praxis und Theorie. Und auch die FN und die PM's sind froh, diesen Pferdefachmann für Lehrgänge, Seminare und Vorträge gewinnen zu können.
Text+Fotos: Marietta Grade