16.10.2011 22:17

50 Jahre Deutsche Reitschule in Warendorf (1961-2011)

Vor 50 Jahren wurde die Deutsche Reitschule in Warendorf eingeweiht. Seither ist sie die „die Heimstatt der Berufsreiter“, sagt Ausbildungsleiter Hannes Müller, der auch Mitglied im Vorstand der Bundesvereinigung der Berufsreiter (BBR) ist. Ein Grund für die „Profis“, den jährlichen bundesweiten Bundesberufsreitertag Ende März in der Emsstadt auszurichten. Zuletzt fand dieser Ende der Neunziger Jahre in Warendorf statt.
Die Deutsche Reitschule versteht sich als „Bollwerk gegen den Niedergang der Reitkultur“. „Das war Anfang der Sechziger Jahre so, als die Schule ihre Arbeit aufnahm, und das ist auch heute noch so. Wir fühlen uns diesen Wurzeln immer noch verpflichtet“, sagt Hannes Müller. Der Pferdewirtschaftsmeister steht seit 14 Jahren an der Spitze der zentralen deutschen Ausbildungs- und Prüfungsstätte für Pferdewirte. Direktorin der Deutschen Reitschule ist seit Mai 1996 die Leiterin des Warendorfer Landgestütes Susanne Schmitt-Rimkus.
Die Angliederung der Schule an das NRW-Landgestüt erfolgt allerdings erst 1968, sieben Jahre nach der Einweihung des auf dem Landgestütsgelände errichteten nüchternen Baukomplexes mit Büro- und Schulungsräumen und großer Reithalle. Der Festakt zur Einweihung der Deutschen Reitschule am 21. Januar 1961 markiert das Datum für das Jubiläum. Der damalige NRW-Landwirtschaftsminister und Vorsitzende des Vereins „Deutsche Reitschule“ Gustav Niermann und der Vorsitzende des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) und der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Hans-Wilhelm Hansen, hatten zur Eröffnung ein attraktives Programm zusammengestellt. Die Springreiter Hermann Schridde, Lutz Merkel und Fritz Ligges zeigten Pferde im Parcours, der Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele in Rom 1960, Josef Neckermann, ritt mit Asbach die Olympia-Dressuraufgabe. Die Züchter der Olympiapferde Asbach, Ferdl, Halla und Meteor wurden ausgezeichnet und Halla und Ala offiziell vom Turniersport verabschiedet. Die Bauarbeiten für die neue Schule hatten im März 1960 begonnen.
Eine der entscheidenden Grundlagen für Warendorf als Standort der Deutschen Reitschule hatte Landstallmeister Konrad Bresges 1955 mit der Gründung der „Höheren Reit- und Fahrschule“ am Landgestüt Warendorf gelegt. Die schwierige Situation der Pferdezucht – Arbeitspferde brauchte man nicht mehr, Sportpferde noch nicht – war Anlass für diese zukunftsweisende Maßnahme zur Verknüpfung von Pferdezucht und Pferdesport. Der neuen Schule standen neben dem Gestütsgelände an der Ems die frühere Wehrkreis Reit- und Fahrschule VI (heute Bundeswehrsportschule) und das großzügige Gelände an der Tönneburg, Sitz des heutigen Bundesleistungszentrums, zur Verfügung.
Vier Jahre später wurde es ernst: Am 6. Juli 1959 wird der Verein Deutsche Reitschule gegründet, die Höhere Reit- und Fahrschule in den neuen Verein überführt. Mitglieder sind unter anderem das Land Nordrhein-Westfalen, das DOKR, die FN, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der Kreis Warendorf, die Stadt Warendorf und auch der damalige Verband der Reit- und Fahrvereine in der Bundesrepublik. Der Verein soll in der ersten Abteilung der Aus- und Fortbildung von fortgeschrittenen Reitern, Reitlehrern und Turnierrichtern dienen und in der II. Abteilung internationale und olympische Ausbildung übernehmen. Hauptgeschäftsführer wird DOKR-Leiter Landstallmeister Alfons Schulze-Dieckhoff, Ausbildungsleiter Horst Niemack. Schnell wird klar, dass für die I. Abteilung ein Hallenneubau nötig ist. Die ersten sechs Pferde werden im August 1959 von der Höheren Reit- und Fahrschule zur Deutschen Reitschule überstellt. Erster Lehrgang ist das Training des Olympiakaders für den Modernen Fünfkampf. Im Oktober 1959 beginnt der erste Schülerlehrgang mit zwölf Teilnehmern. Schwerpunkt ist das Geländereiten. Im Januar 1960 beginnt der erste Reitlehrerlehrgang mit neun Teilnehmern. Ausbilder sind neben Horst Niemack Max Habel, Heinrich Boldt sen. und Hans-Heinrich Brinkmann. Drei Monate später, im April 1960, findet erstmals eine zentrale Bereiterprüfung für 14 Lehrlinge aus der ganzen Bundesrepublik nach einer dreijährigen Ausbildung statt. Schon bei der Premiere wird beschlossen, dass zukünftig ein zwei- bis dreiwöchiger Vorbereitungslehrgang der Prüfung vorangestellt werden soll. Zwei Lehrgänge im Jahr in Warendorf werden geplant.
Damit erlangt die Deutsche Reitschule nationale Bedeutung und wird als Nachfolgerin der 1930 durch Felix Bürkner auf Rittergut Düppel bei Berlin gegründeten „Deutschen Reitschule“ und der von Oscar Maria Stensbeck gegründeten „Reithochschule“ auf dem Gelände der Kavallerieschule Hannover sichtbar.
Im Jahr 1965 werden die beiden Abteilungen des Vereins „Deutsche Reitschule“ getrennt, weil eine mit Bundes- und Landesmitteln finanzierte Ausbildungsstätte errichtet werden soll. 1967 bewilligt der Bundesinnenminister die erforderlichen Mittel für das neue Leistungszentrum, Grundsteinlegung ist am 2. April 1968. Dadurch wird aber eine neue wirtschaftliche Organisationsform für die Berufsausbildung und die Deutsche Reitschule notwendig. Der Verein gliedert die Deutsche Reitschule zum 1. Juli 1968 an das NRW-Landgestüt an, gibt sich eine neue Satzung und wird zum „Verein zur Förderung der Deutschen Reitschule Warendorf“. Landstallmeister ist zu diesem Zeitpunkt der seit zweieinhalb Jahren amtierende gebürtige Ostpreuße Dr. Gerd Lehmann. Die Leitung der Schule übernimmt für drei Jahre Hans Winkel. Lehrpläne werden in enger Abstimmung mit dem FN-Fachreferenten für Ausbildung Dr. Dietmar Specht aufgestellt. Ein breit gefächertes Ausbildungsangebot wird den Lehrgangsteilnehmern angeboten. Zwei Bereiterlehrgänge und einen Meisterlehrgang gibt es im Halbjahr, hinzu kommen Zwischenprüfungen und Richter- und Parcoursbauerlehrgänge. 1970 gibt es erstmals ein zweimonatiges Berufsreiterseminar, das mit den heutigen Meistervorbereitungskursen vergleichbar ist. Vom 1. Oktober 1971 bis zum 30. Juni 1975 leitet Reitmeister Günther Festerling die Deutsche Reitschule. Der stetig wachsende Bedarf an qualifizierten Ausbildern im beginnenden „Pferdeboom“ fordert effektive Strukturen und eine Ausweitung der Aus- und Fortbildung für die Berufsreiter. Am 1. November 1975 tritt die Verordnung über die Berufsausbildung zum Pferdewirt in Kraft, die bis zum vergangenen Jahr Grundlage für die Arbeit in Warendorf war. Zum 1. Januar 1976 übernimmt Pferdewirtschaftsmeister Dr. Wolfgang Hölzel die Leitung der Deutschen Reitschule. Die Berufsreiterlehrgänge werden deutlich ausgeweitet. Die Teilnehmerzahlen steigen von anfangs 50 auf bis zu 200 pro Jahr.
Im Juni 1985 übernimmt Diplomtrainer Ralph-Michael Rash die Leitung der Schule. Die Prüfungsabläufe werden praxisorientierter organisiert. Pädagogische und betriebswirtschaftliche Fragestellungen rücken mehr in den Vordergrund. Der aktuelle Ausbildungsleiter Pferdewirtschaftsmeister Hannes Müller tritt am 1. Januar 1997 seine neue Aufgabe an. Unterstützt wird er vom Förderverein, dessen Vorsitzender nach wie vor der FN-Ehrenpräsident Dieter Graf Landsberg-Velen ist. Die Geschäftsführung liegt in den Händen der Direktorin der Deutschen Reitschule Susanne Schmitt-Rimkus. Der gemeinnützige Verein unterstützt die Schule bei der Anschaffung von Pferden, Lehrmaterialien und auch bei der Honorierung von besonders interessanten Gastdozenten. Der Förderverein hat es auch möglich gemacht, dass die Schule seit dem Sommer 1998 ein komplettes Pferdeskelett für den anschaulichen und praxisnahen Anatomieunterricht besitzt. Es ist das Skelett des Landbeschälers Foxtrott von Frühling, der von 1976 bis 1997 im Landgestüt im Deckeinsatz war. Zwei Studenten der Tierärztlichen Hochschule Hannover präparierten unter Regie von Dr. Helmut Ende sein Skelett in mühevoller Kleinarbeit. Hannes Müller sieht in dem Skelett ein Symbol dafür, dass dem Pferd in der Ausbildung wieder mehr Augenmerk gewidmet wird, dass es wieder in den Mittelpunkt der Gedanken gerückt ist. Dem Ziel, das richtige anatomische Reiten zu vermitteln, dienen auch eine Vielzahl von Seminaren und Fortbildungen mit Tierärzten, Hufbeschlagschmieden, Sattlern und anderen Experten, wie beispielsweise dem Sportdozenten und Bewegungslehrer Eckart Meyners.
Gut 50 Pferde stehen den Lehrgangsteilnehmern zur Verfügung. „Früher waren es ausschließlich Hengste, die nicht im Deckeinsatz waren. Inzwischen kaufen wir aber auch Wallache als Lehrpferde, weil sich der Handel mit den Zuchthengsten ausgeweitet hat“, erläutert Müller. Zuchthengste bilden nur noch etwa die Hälfte des Bestandes. „Um unseren bestens ausgebildeten Pferdebestand werden wir weltweit beneidet“, weiß Müller aus den regelmäßigen Zusammenkünften mit den Verantwortlichen der elf nationalen Reitschulen aus ganz Europa, die sich in der Vereinigung „Equestrian Education Network“ (EEN) zusammengeschlossen haben. Inzwischen hat sich die Zahl der Lehrgangs- und Seminarteilnehmer auf etwa 800 im Jahr eingependelt. Allein im Jahr 2010 veranstaltete die Deutsche Reitschule 57 Lehrgänge. Dazu zählen auch die Fahrlehrgänge, denn die Deutsche Reitschule ist auch als Fünf-Sterne-Fahrschule anerkannt. Alle Bundestrainer unterstützen die Aktivitäten in Warendorf. So wird Heinrich-Hermann Engemann den Schwerpunkt Springen im nächsten Meisterkurs leiten. Seit dem vergangenen Jahr werden die Zwischen- und Abschlussprüfungen der Pferdewirte nach der neu in Kraft getretenen Verordnung über das Berufsbild durchgeführt. Die Deutsche Reitschule ist jetzt „klassischer Reitausbilder“. Das Landgestüt und die Deutsche Reitschule gehören mit derzeit 21 Ausbildungsplätzen für Pferdewirte/Schwerpunkt Klassische Reitausbildung, Pferdewirte/Zucht und Pferdewirte/Pferdehaltung und Service landesweit zu den größten Ausbildungsbetrieben in diesen Berufen. Weitere Reformen werden folgen. „Die Gespräche über die neue Verordnung für die Meisterprüfung beginnen jetzt“, sagt Müller, der als Sachverständiger an der Neuordnung mitwirkt. Wichtig ist ihm dabei die enge Abstimmung in allen Belangen mit den zuständigen FN-Abteilungen, der Deutschen Akademie des Pferdes und den berufsständischen Vertretungen. Bereits bei der Stensbeck-Feier im vergangenen November wurde das 50-jährige Bestehen der Deutschen Reitschule thematisiert. In einem von Christoph Hess, Leiter der FN-Abteilung Ausbildung, moderierten Podiumsgespräch ließen Susanne Schmitt-Rimkus, Hannes Müller, der frühere FN-Generalsekretär und Zeitzeuge Dr. Ernst Burandt und der Vielseitigkeits-Weltmeister und frisch gebackene Pferdewirtschaftsmeister Michael Jung (Horb) Geschichte und Gegenwart der Schule Revue passieren. „Es ist einfach Pflicht, dass man in Warendorf seine Prüfungen ablegt“, sagte der Weltmeister lapidar. Er hatte in der Emsstadt 2002 den Bundesberufswettkampf gewonnen, seine Pferdewirt-Prüfung mit Stensbeck-Auszeichnung absolviert und auch für die Meisterprüfung erhielt der Baden-Württemberger die begehrte Stensbeck-Plakette in Silber. Die Direktorin der Deutschen Reitschule äußerte sich zuversichtlich, dass die Institution „Deutsche Reitschule“ auch in ein oder zwei Jahrzehnten noch zentrale Ausbildungs- und Prüfungsstätte und Bestandteil des Warendorfer Landgestütes sei. Denn den „Albtraum“ einer ohne Pferde auskommenden und nur noch mit Computern arbeitenden Schule hält Susanne Schmitt-Rimkus für nicht realistisch. Einen Wunsch hatte sie allerdings: „Mehr Spitzenreiter sollten ihre aus dem Turniersport verabschiedeten Pferde für die Deutsche Reitschule und die jungen Reiter zur Verfügung stellen“. Quelle: Dietbert Arnold, „Bilder der Deutschen Reitschule“, 1998, Pferdesportverlag Ehlers, erhältlich im FNverlag, www.fnverlag.de
Fotos: Warendorf.de