27.04.2021 11:29

Fohlenzeit - große Freude, manchmal großes Leid

Endlich ist es Frühling und die ersten Fohlen kommen zur Welt. Eine Fohlengeburt ist immer eine aufregende Sache, aber neben der großen Freude kann es auch viel Leid geben. Der Kummer ist groß, wenn beispielsweise das Fohlen stirbt. Vor einem besonders gravierenden Problem stehen Pferdezüchter hingegen, wenn die Mutterstute das Fohlen verstößt – aus welchem Grund auch immer – oder das Fohlen zur Waise wird.

Jetzt hat das Züchterschicksal bei Familie Wricke (Neuendorf bei Niemegk) zugeschlagen. Denn nur drei Wochen nach der Geburt des Hengstfohlens Elliot Ende März verstarb die Mutterstute. Es kommt immer wieder vor, dass eine Stute bei der Geburt ihres Fohlens stirbt. Dann ist schnelle Reaktion gefragt. Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten: eine Ammenstute als Ersatzmutter  oder eine Aufzucht mit der Flasche bzw. dem Eimer. Quasi die dritte Möglichkeit ist es, diesen Job auf einen Dritten zu verlagern, einem Fohlenhof. Das Fohlen sollte spätestens zwei Stunden nach der Geburt aufstehen und 2-3 Stunden nach der Geburt trinken. Der Organismus des neugeborenen Fohlens ist selbst noch nicht in der Lage, Antikörper zu bilden. Es hat also keine eigene Immunabwehr. Also innerhalb von spätestens drei Stunden muss das Fohlen Colostrum - auch Kolostralmilch genannt - bekommen. Über die Biestmilch nimmt das Fohlen die ersten Antikörper auf, die das Immunsystem aufbauen. Außerdem führt das Colostrum dem Fohlen lebenswichtige Eiweiße, Mineralstoffe und Vitamine zu.
Bei seiner Mutter säugt ein Fohlen am Tag rund 30 - 50 Mal und zwar etwa jeweils eine Minute lang. Nach einigen Tagen sind Stute und Fohlen gemeinsam auf der Koppel unterwegs. Nach rund einem halben Jahr wird das Fohlen von seiner Mutter abgesetzt, es bekommt keine Milch mehr.
Mit einer gefundenen Amme ist das Problem aber noch nicht unbedingt gelöst. Die Stute muß das Fohlen auch annehmen. Das ist nicht immer der Fall. In der Regel legt sich das ablehnende Verhalten innerhalb der ersten drei bis sieben Tage. Oder aber leider nie. Die Chancen werden allgemein als 50:50 angesehen. Während dieser Zeit ist das Verhalten der Stute gegenüber dem Fohlen ständig zu beobachten. Die Chancen stehen schlecht, wenn die Stute anfangs freundlich und im Laufe der Zeit ablehnend wird. Dann muss die Suche nach einer Amme von vorne losgehen oder es muss doch auf Ernährung mit künstlicher Fohlenmilch umgestellt werden.

Bei Hengstfohlen Elliot hat Familie Wricke die Fütterung übernommen, stündlich wurde mit Milchpulver gefüttert, parallel dazu wurde nach einer Ammenstute gesucht. Elliot hat recht schnell gelernt, die für ihn angerührte Fohlenmilch aus einem Eimer zu trinken. „Ich glaube, das hat ihm rückblickend das Leben gerettet“, berichtet Heike Wricke. „ Die Schwangerschaft und die Geburt verliefen normal. Aber nach drei Tagen sind bei Stute Casquintera die ersten Koliken aufgetreten.“ Nach weiteren drei Wochen habe sich der Zustand des Tieres massiv verschlechtert und die Stute ist dann an den Folgen der Koliken verstorben.
Nach dem Tod der Stute wurde der Kontakt zum Internetportal Ammenstuten Deutschland hergestellt.
Die passionierte Pferdezüchterin Ingrid Wiegmann vermittelt seit über 15 Jahren Ammenstuten und Waisenfohlen deutschlandweit und in angrenzende Länder. In Fachkreisen bestens bekannt, übernimmt Sie mit Ihrer Expertise die ehrenamtliche persönliche Beratung und Vermittlung um schnell eine geeignete Ammenstute zu finden. „Bei mir hatte sich zuvor bereits die Familie aus Ahnsbeck gemeldet und mitgeteilt, dass sie für ihr eigenes Fohlen eine Ammenstute suchen. Eine Ammenstute haben wir für die beiden Fohlen zwar nicht gefunden, dafür aber einen gleichaltrigen Gefährten. Wir haben die beiden Fohlen zusammengeführt – denn die Familie Dwehus im niedersächsischen Ahnsbeck wollte ihr Jungtier mangels Ammenstute mit der Flasche großziehen und hat Elliot dazu genommen“, sagt Ingrid Wiegmann.
Inzwischen ist Elliot bereits umgezogen. „Die beiden können jetzt aufwachsen wie Geschwister“, freut sich Heike Wricke. „Und ich weiß, dass er dort in guten Händen ist. Außerdem ist es ja nur ein Abschied auf Zeit. Im September, wenn Elliot ein halbes Jahr alt ist, soll er auf unseren Hof zurückkommen.“
Text: Marietta Grade  Foto: Privat