01.12.2019 23:10

FN-Forum: "Das Turnier der Zukunft"

Digitalisierung, demographischer Wandel, verändertes Freizeitverhalten – unsere Welt ändert sich rasant. Das bleibt nicht ohne Folgen für den Turniersport. Auf einem einzelnen Turnier lassen sich die ganz unterschiedlichen Wünsche von Einsteigern, ländlichen Amateuren und Springreiterprofis kaum noch unter einen Hut bringen. Beim ersten FN-Forum „Turnier der Zukunft – Turniere modern gestalten und ausrichten“ der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in Warendorf diskutierten rund 250 Teilnehmer, vorwiegend Turnierveranstalter traditioneller Vereinsturniere, über die aktuellen Entwicklungen im Turniersport, auch den Trend zum Start im benachbarten Ausland. Ein Fazit: Es gilt nicht das DAS Turnier der Zukunft zu entwickeln, sondern DIE Turniere der Zukunft, in denen jeder seine Nische findet.
„Ich bin beeindruckt, wie viele Leute hier heute zu unserem Forum gekommen sind. Das Thema scheint offenbar vielen unter den Nägeln zu brennen, denn die Ansprüche der Aktiven am die Turnierveranstalter werden immer größer. Vielleicht liegt es daran, dass viele Turnierteilnehmer heute aus Vereinen kommen, die selbst keine Turniere veranstalten“, sagte Breido Graf zu Rantzau. In seinem Grußwort wies der FN-Präsident darauf hin, dass gleichzeitig die Zahl der Veranstalter schrumpft. Gerade noch ein Drittel aller Reitvereine sind auch aktive Turnierveranstalter. „Aus diesem Grund wissen auch manche Reiter gar nicht mehr, wieviel Arbeit hinter so einem Turnier steckt“, fuhr er vor, verbunden mit einem Dank an alle Veranstalter, die trotz Helfermangel, weniger werdender Sponsoren und trotz höheren Anforderungen den Reitern, Fahrern und Voltigierern eine Plattform bieten.
„Ich habe mich als Veranstalter immer gefragt, was würde ich mir als Reiter wünschen?“ eröffnete FN-Präsidiumsmitglied Holger Wulschner die Vortragsrunde. Anders als viele seiner Reiterkollegen, kennt der vielfache Nationenpreisreiter den Turniersport von beiden Seiten, denn er ist auch seit Jahren Veranstalter eines internationalen Springturniers in Groß Viegeln. Für die Zukunft wünscht er sich vor allem eines: Mehr Miteinander und weniger Gegeneinander, sowohl, was die Reiter, als auch Veranstalter, FN und Landespferdesportverbände betrifft.
Vision 1: Turnier der Zukunft als „Arbeitsturnier“
Warum speziell die Springreiterprofis in jüngster Zeit so oft zum Turnier ins benachbarte Ausland – vor allem in die Niederlande oder nach Belgien – reisen, erläuterte Springreiter Andreas Kreuzer. „Dort ist alles einfacher und unkomplizierter“, fasste er zusammen und meinte damit vor allem den Turnierstandort Peelbergen. Als Betreiber eines Profistalles in Damme findet er dort alles vor, was er braucht: ein einfaches Nennsystem und ein verlässliches Angebot an Springprüfungen, gestaffelt nach Hindernishöhen ab 80 cm bis 1,50 Meter in Fünf-Zentimeter-Schritten. Jedes Pferd kann jede Prüfung gehen. „Zwei Tage vorher schickt man eine Mail, welche Pferde man welche Höhe reiten will, dann fährt man dahin. Und wenn es am ersten Tag über 1,40 Meter nicht klappt, starte ich eben am nächsten in 1,20 Meter nochmal“, schilderte er. Denn die Entscheidung, welches Pferd in welcher Prüfung startet, muss erst am Vorabend getroffen werden.“
Während das Turniersportzentrum in Peelbergen mit viel Investoren-Geld aus dem Boden gestampft wurde, handelt es sich beim Pendant im österreichischen Ranshofen um eine gewachsene Anlage. „Der Betreiber hat festgestellt, dass sich das Veranstalten von Turnieren rechnet und hat immer weiter investiert“, erklärte Vielseitigkeitsreiterin Miriam Bray, die im bayerischen Mailham einen Ausbildungsstall betreibt. Mittlerweile seien in Ranshofen mehr deutsche Reiter am Start als Österreicher. Wie Kreuzer nutzt auch Bray das Turnierangebot im Ausland vorwiegend für Trainingszwecke. „Wir wollen unsere Pferde ausbilden, wir wollen niemandem die Platzierungen wegnehmen. Wir wollen einfach nur starten“, sagte sie. „In Österreich erfolgt die Teilung immer nach Leistungsklassen. Die Leistungsklassen bleiben immer konstant. Ein schwacher Reiter startet nie gegen einen starken. Auch ein Profi kann so kleine Klassen reiten.“ Dass ein professionelles Turniermanagement und eine gute Infrastruktur nicht umsonst zu haben sind, ist ihr als ehemalige Turnierveranstalterin klar. Ihre Meinung: „Reiter sollten in Deutschland mehr bezahlen müssen, damit die Veranstalter mehr machen können.“
Mehr machen oder es einmal anders machen, das war auch das Ziel eines Pilotturniers des rheinischen Landesjugendtrainers Holger Hetzel auf seiner Reitanlage in Goch: „Wir wollten einfach mal querdenken, wie wir es Reitern und Veranstaltern einfacher machen können. Die Genehmigung erfolgte in enger Absprache zwischen FN und dem zuständigen Landesverband“, erklärte der geschäftsführende Vorstand des Pferdesportverbandes Rheinland André Kolmann. Im Frühjahr werden noch zwei drei andere Veranstaltungen dieser Art folgen, danach soll es eine Auswertung geben. Die Neuerungen in Goch: Die Startreihenfolge der Pferde konnte in allen Springprüfungen von den Reitern selbst festgelegt werden; nach der Prüfung konnte jeder Reiter Korrekturrunden reiten – zu Ausbildungszwecken und unter Kontrolle der Richter; Nachnennungen waren bis 20 Uhr des jeweiligen Vortages möglich, wobei die Nachnenngebühren vom Veranstalter getragen wurden. Darüber hinaus fanden die Siegerehrungen ohne Pferd statt und in jeder Prüfung wurden zwölf Reiter platziert – was laut Leistungs-Prüfungs-Ordnung jetzt schon ohnehin möglich ist (wenn auch ohne Registrierung).
Vision 2: Das Turnier der Zukunft als „Eventturnier“
Während die ersten Referenten schwerpunktmäßig die Interessen der großen Turnier- und Ausbildungsställe und insbesondere der Springreiter vertraten, stellte Philipp Hess ein Turnier vor, das sich vor allem an Dressurreiter richtet. Der Pferdewirtschaftsmeister und Grand-Prix-Reiter hat den großelterlichen Hof zu einem Ausbildungsstall ausgebaut und ist dort Ausrichter der Bettenröder Dressurtage mit einem Jungpferdetag, einem Tag für Amateure, aber auch Highlights wie einer Qualifikationsprüfung zum Nürnberger Burgpokal. „Ein Turnier von Reitern für Reiter“, sagte Hess. Das spiegelt sich nicht nur in der Trennung von Berufsreitern und Amateuren oder der Unterteilung in U25- und Ü25-Reiter wider, sondern auch in pferdefreundlichen Regelungen wie der, dass Reiter immer die Chance haben, vor und zwischen den Prüfungen aufs Wettkampfviereck zu gehen. Oder auch darin, dass die Reiter in Jungpferdeprüfungen immer zu zweit auf dem Viereck sind. Während der eine die Aufgabe reitet, hat der andere die Chance, sein Pferd mit der Umgebung vertraut zu machen. „Mit ein bisschen Phantasie hat jede Veranstaltung Alleinstellungsmerkmale, die das Turnier zu etwas Besonderem machen“, so Hess‘ Überzeugung. Zum Eventcharakter des Turniers, mit dem neben Insidern auch ein interessiertes Publikum angesprochen werden soll, gehört aber auch ein Rahmenprogramm, das Hess‘ Assistentin Laura Tröger vorstellte: ein Sponsorenabend mit Party, Schauprogramm, Seminar „Richten transparent gemacht“ und verschiedenen Ehrungen, darunter die Vergabe eines Fair-Play-Preises. Zusätzlich sorgen eine ausgiebige Ausstellerlandschaft sowie das angrenzende Spaziergängerparadies für eine zuschauer- wie teilnehmerfreundliche Turnieratmosphäre.
Vision 3: Das Turnier der Zukunft passend zum Verein
Voraussetzung für die Ausrichtung eines Turniers im Verein ist die Motivation der Mitglieder. „Es ist gut für den Zusammenhalt und die Gemeinschaft im Verein, wenn man eine erfolgreiche Veranstaltung auf die Beine gestellt hat. Darüber hinaus halten regelmäßige Veranstaltungen die Anlage in einem ordentlichen Zustand und sind zugleich eine Einnahmequelle für den Erhalt der Anlage“, zählte Jürgen Petershagen, Vorsitzender des RV Südlohn-Oerding die Gründe. Allein 2019 fanden hier sieben Turniere unterschiedlicher Art statt, von Vereinsmeisterschaften über Voltigier- und Reitertage, Fahrturnier, Vierkampf, Adventsturnier bis hin zum klassischen Dressur- und Springturnier. „Alle Veranstaltungen müssen von unseren Aktiven angestoßen und getragen werden. Es sind alle eingeladen, sich an der Ausschreibung zu beteiligen, gerade auch die Jugend, die immer wieder neue Ideen mit einbringt. Die Aufgaben werden dann auf viele Schultern verteilt“. Sein Rat: „Professionelle Veranstalter bieten eine bessere Bühne für professionellere Reiter, die auch Vermarkter sind. Kleine Vereine können das kaum leisten, müssen sie aber auch nicht. Besser ist es, sich auf die eigene Zielgruppe zu besinnen und Angebote für diese zu schaffen.“ Das kann beispielsweise bedeuten, das S-Springen wegzulassen und dafür ein Mannschaftsspringen anzubieten oder mit geschlossen ausgeschriebenen M- und S-Dressuren eine ganz neue Klientel zu erreichen. Ganz ohne Mäzene und Sponsoren klappt es allerdings auch in Südlohn-Oeding nicht. „Aber die Bereitschaft ist da, mehr zu zahlen für bessere Leistung. Man muss nicht immer nur billig sein. Wer gut ist, kann dafür auch einen Euro mehr nehmen“, schilderte Petershagen seine Erfahrung.
Das Regelwerk: Die LPO macht vieles möglich
Wie die Beispiele der Referenten zeigten, lässt sich mit etwas Kreativität, Flexibilität und einem Gespür für die Wünsche der jeweiligen Reiter ein für jeden Verein oder jede Reitanlage passendes Turnier konzipieren. In seinem Abschlussvortrag ließ Friedrich Otto-Erley, Leiter der FN-Abteilung Turniersport, die Entwicklung des Turniersports und LPO-Anpassungen der letzten Jahre Revue passieren, die allen in erster Linie den Zweck hatten, die Chancengleichheit beim Turnier zu verbessern. Die technische Möglichkeit zur Startplatzbegrenzung hat in den letzten zwei Jahrzehnten allerdings häufig zu Frust bei den Teilnehmern gesorgt. Zwar sind nur rund 20 Prozent der Prüfungen davon betroffen, sorgen aber vielfach für Unmut. Otto-Erley wies die Kongressteilnehmer auf die zahlreichen Möglichkeiten, eine Prüfung von vorneherein so auszuschreiben, dass nur eine bestimmte Zielgruppe erreicht wird: durch Einschränkung nach Leistungsklassen oder Ranglistenpunkten, durch Einteilung in geschlossene oder offene Prüfungen, durch Begrenzung auf bestimmte Altersklassen der Reiter oder Pferde oder durch Teilung nach Geschlecht der Reiter. Gleichzeitig werde aber auch über die Weiterentwicklung von „NeON-max“ nachgedacht, berichtete Otto-Erley. Unabhängig davon wies er darauf hin, dass ein Veranstalter laut LPO den Nennungsschluss auf bis fünf zu Tage vor dem Turnierbeginn festlegen kann, sofern er sich das organisatorisch zutraut und die Landeskommission dem zustimmt.
Noch viele Fragen offen
Die abschließende Diskussionen mit den Referenten zeigte, dass neben der Turnierausschreibung und -gestaltung noch viele Fragen offen sind, über die es sich zu diskutieren lohnt: steigende Anforderungen des Tierschutzes und der Haftungsfragen, Heranführung des – vor allem auch männlichen - Nachwuchses an den Turniersport und natürlich steigende Kosten. „Eine Reduzierung der Veranstaltergebühren ist bereits geplant, muss aber noch verabschiedet werden“, hatte Breido Graf zu Rantzau bereits zu Beginn der Veranstaltung angekündigt. Sein Fazit: „Es war der erste Kongress dieser Art und ein guter Anfang, um ins Gespräch zu kommen. Das werden wir fortsetzen.“
Text: FN Press Hb